Der Gelbe April – Erinnerungen an das Sewol Fährunglück
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Es ist wohl eines der tragischsten Ereignisse der koreanischen Neuzeit. Jedes Jahr gedenken koreaweit massenhaft Bürger der furchtbaren Katastrophe, die sich im Jahr 2014 ereignet hat. Die Rede ist vom Fährunglück der Sewol, das sich am 16. April 2014 ereignet hat. Während es eigentlich die übliche Strecke zwischen Incheon und der Insel Jeju fuhr, kenterte es plötzlich auf Höhe von Jindo, einer Insel im Gelben Meer. Nur insgesamt 174 Personen überlebten das Unglück von den ursprünglich 476 Passagieren. Selbst im Januar 2016 galten noch immer neun Personen offiziell als vermisst. Tragisch sind dabei nicht nur die Umstände, sondern auch Videoaufnahmen todgeweihter Personen auf dem Schiff, die man im Nachhinein fand.

Über die Geschichte der Sewol

Nach ihrer Erbauung im Jahr 1994 segelte das Schiff zunächst unter japanischer Flagge. Erst seit 2013 gehörte sie dem koreanischen Unternehmen Chonghaejin Marine Company, von der sie auch schließlich als Sewol getauft wurde. Noch im März desselben Jahres wurden mehrere Umbauarbeiten vorgenommen und die Passagierkapazität damit auf bis zu 940 Personen erhöht. Nebenher sollten außerdem 90 PKW oder auch 80 LKW davon transportiert werden können.

Das Unglück begann am 15. April 2014

13-einhalb Stunden war die geplante Fahrtzeit, welche die Fähre vom Festland Incheon bis Jeju-do brauchen würde. Schon die Abfahrtszeit vom Hafeen in Incheon hatte sich von 18:30 Uhr bis 21:00 Uhr verzögert.

Zwölf Stunden später, die Uhr zeigte knapp neun Uhr morgens, ging der erste Notruf der Sewol bei der zuständigen Behörde auf Jeju ein. Nur eine Halbe Stunde später neigte sich das Schiff um 60° zur Seite, weitere eineinhalb Stunden später begann sie in die 40 Meter tiefe Meeresstelle zu sinken.

447 Passagiere, sowie 29 Besatzungsmitglieder begannen nun um ihr Leben zu kämpfen. Es waren insgesamt 325 Schüler, im Alter von 16 bis 17 Jahren und 15 Lehrer. Sie alle stammten von der Danwon High School, die sich in Ansan befindet.

Zu den 174 Überlebenden zählten 20 Besatzungsmitglieder, der Kapitän und nur 153 aller Passagiere.

In ihrer Todesangst legten sich viele Schwimmwesten an und versuchten ihr Glück darin, in das 12°C kalte Wasser zu springen. Ihre Überlebenschance war gleich null, da der menschliche Körper das nur wenige Stunden überstehen konnte. Rettungsteams, die auf den Weg zu ihnen waren, konnten kaum schnell genug vor Ort sein. 169 Boote und Schiffe beteiligten sich an diesem verheerenden Tag an der Rettung.

Tragisch: Aufnahmen von verstorbenen Schülern

Während nur wenige Wochen nach dem Unglück schon erste Videos an die Öffentlichkeit gelangt waren, welche die verängstigten Schüler zeigte, riefen viele davon ihre Eltern an und verabschiedeten sich von ihnen. Sie fühlten, dass sie nicht mehr nach Hause kommen würden und wollten ihnen noch ein letztes Mal sagen, wie sehr sie sie liebten. Viele Eltern berichteten im Nachhinein von diesen besonders tragischen Gesprächen.

Besondere Fahrlässigkeit der Besatzung

Am Tag des Unglücks lenkte nicht der Kapitän, sondern sein Stellvertreter während des Urlaubs die Sewol. Als das Schiff zu kentern begann, forderte er sämtliche Passagiere auf, in ihre Kabinen zurückzukehren und rettete sich anschließen selbst mit den meisten seiner Kollegen. Eine 26-jährige Dritte Offizierin, die in jener Sache noch sehr unerfahren war, lenkte das Schiff, als es zum tödlichen Unfall kam. Nur eine der insgesamt 46 Rettungsinseln, mit denen die Sewol ausgestattet war, wurde dadurch zu Wasser gelassen.

Durch die grobe Fahrlässigkeit wurden am 19. April 2014 der Kapitän und einige der Besatzungsmitglieder verhaftet. Die restlichen überlebenden Mitglieder der Besatzung wurden dann eine Woche später, am 26. April festgenommen.

Suizid des stellvertretenden Schulleiters

Während sich der stellvertretende Kapitän noch kurz vor seiner Verhaftung öffentlich für seine Flucht und das Unglück entschuldigte, was in Korea als besonders wichtig gilt, um das eigene Ansehen reinzuwaschen, schaffte es der stellvertretende Schulleiter nicht, mit dem medialen und emotionalen Druck fertig zu werden. Er wurde nach seiner Rettung auf die Insel Jindo gebracht, wo er sich erhängte.

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Gründe für das Unglück gibt es mehrere

Es hat bis zum Jahr 2017 gedauert, ehe man die Überreste der Sewol bergen konnte. Bis dahin wurde oft heftig darüber spekuliert, was der Grund für den Unfall hatte sein können. Tatsächlich gibt es da mehrere Ansatzpunkte, welche die Sewol in ein eher finsteres Licht rücken:

  • 13 Monate lang fuhr sie bis zum Unglück routinemäßig überladen. Unmittelbar vor dem Unglück soll das Schiff mit dem dreifachen Übergewicht und damit mehr als bisher zuvor beladen gewesen sein.
  • Der eigentliche Kapitän des Schiffs hatte der Reederei gegenüber seine Bedenken über die Stabilität der Sewol gemeldet, die nach den Umbauarbeiten stark nachgelassen haben soll. Eine Reaktion hierzu gab es keine.
  • Am Unglückstag soll das Schiff mit nur rund 30% des eigentlich vorgeschriebenen Ballastwassers befüllt gewesen sein.
  • Schon seit mehreren Tagen zuvor sollte das Rudersystem defekt gewesen sein.
Sewol-Tragödie
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Heftige Reaktionen von Volk und Politik

Die damalige Präsidentin Park Geunhye bezeichnete das Handeln des stellvertretenden Kapitäns als einen Akt des Mordes. Sie kündigte an, sämtliche Verantwortlichen, inklusive beteiligter Unternehmen, daraufhin überprüfen zu lassen und jeden an dem Unglück Mitverantwortlichen vor Gericht zu bringen.

Das Volk allerdings sah die Hauptverantwortlichen in dieser Angelegenheit in der Politik. Protestmärsche von Ansan weg bis zum Blauen Haus in Seoul waren unter anderem die Folge. Aufgrund der starken Kritik aus dem Volk kündigte daraufhin der Premierminister Jung Hongwon seinen Rücktritt an.

Weitere Konsequenzen nach dem Unglück

  • Am 11. Mai 2014 wurde dem Fährunternehmen die Streckenlizenz von Incheon nach Jeju-do entzogen.
  • Daraufhin gab die Reederei weitere Lizenzen freiwillig ab.
  • Die Stadt Ansan sowie der gesamte Landkreis von Jindo wurden zum Sonderkatastrophengebiet ernannt, um einfacher finanzielle Mittel zur Unterstützung aufbringen zu können.
  • Insgesamt wurden mehr als 150 Personen von der südkoreanischen Staatsanwaltschaft angeklagt. Darunter auch Angestellte der Küstenwachen, denen fehlerhaftes Verhalten zur Last gelegt wurde.
  • Der Kapitän, der im schlimmsten Fall die Todesstrafe hätte erhalten können, wurde am Ende zu 36 Jahren Haft verurteilt.
Sewol-Unglück-1
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Sewol-Unglück-2
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Sewol-Tragödie-2
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Im Gedenken an die Opfer

Seit dem Unglück knüpfen Koreaner im ganzen Land am Jahrestag gelbe Schleifen, die als Zeichen der Solidarität und als Mitgefühl für die Angehörigen angesehen werden.


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